14.-17.4.
Buschflug in die Pampas
Nach unserer aufregenden Radtour und dem Besuch der Tiwanakutempel steht nun die Frage:
Weiter in Richtung Titicacasee ziehen und Peru ansteuern oder doch noch einen Abstecher ins feuchte Tiefland des Flusses Beni und das Gefühl von Amazonas spüren?
Die Lust ist groß, aber unsere Aufenthaltserlaubnis für Bolivien läuft ab, wir haben die 30-Tage-Grenze fast erreicht. Wir entscheiden uns schnell: wir bleiben noch. Also ab zur “Migracion“ in La Paz. Die Halle ist überfüllt von Menschen, wir machen uns auf stundenlanges Warten gefasst.
Aber: es gibt einen extra Schalter nur für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis um 30 Tage. Wir hin, Stempel rein, nach 5 Minuten sind wir wieder draußen. Nun können wir losziehen und den sich durchaus lohnenden Preisvergleich bei den unzähligen Touranbietern angehen.
Rurrenabaque,
der Ausgangsort aller Touren, liegt eine Flugstunde (Propellerflug mit bolivianischer Buschmaschine) oder 16 Busstunden
(auf unbefestigten Serpentinenstraßen mit garantiert durchgeknalltem Busfahrer) von La Paz entfernt. Und, man glaubt es kaum, meine Panik vor rutschig-rasenden Busfahrten auf matschigen Straßen setzt sich gegenüber Udos allgegenwärtiger Flugangst durch. Wir buchen einen Flug.
14.4. - 15.30 Uhr:
eine Militärmaschine vom Typ Mc Donnell mit 2 Propellern, Baujahr 1970, mit komplett verschlissenem Innenleben, startet pünktlich, mit ohrenbetäubendem Lärm, aber unerwartet kräftigem Schub, von 4100 m Höhenlage und ca. 12 Grad Tagestemperatur in Richtung Urwald.
Udo verkriecht sich vor Angst in seiner Jacke und mir ist auch nicht wohl, aber ich versuche, es mir nicht anmerken zu lassen, sondern den armen Udo zu beruhigen. Irgendwann gewöhnen wir uns an die lauten Propellergeräusche, hoffen dass sie sich ewig drehen werden und wagen ein paar Blicke aus den dreckigen Fenstern.
Wahnsinn! Wir überfliegen 6000er mit leuchtend weißen Spitzen, man glaubt, wir würden sie fast berühren. Dann folgt das Andenhinterland, es ist erst grau, dann wird es immer grüner, die Berge fallen ab und nun sehen wir das Amazonasbecken und die ersten großen braunen Flüsse mäandern durch das unendliche Grün.
Schon geht die Maschine in den Sinkflug, wir erkennen Bäume, Urwalddörfer, Brandrodungen und ehe wir es begreifen, landen wir nach nur einer Stunde auf einer Dschungelpiste. Aussteigen, 32 Grad, Sittichgekreische, wir sind tatsächlich im Amazonastiefland, unfassbar!
Unsere sogenannte “Pampastour“ beginnt am Folgetag gegen Mittag. “Pampas“ meint hier nicht etwa Pampa in Form von Trockenland, sondern eine halboffene Flusslandschaft, die in der Regenzeit fast zu einer Seenlandschaft anschwillt. Mit einen Jeep wird unsere Reisegruppe, bestehend aus unserem Guide Wilfredo und einem weiteren Pärchen aus La Paz, etwa 150 km weit ins Flussgebiet gefahren. Dann geht es straßenmäßig nicht mehr weiter und es erfolgt der Umstieg mit Sack und Pack ins Holzmotorboot.
Was dann kommt, haut uns echt um. Wir tuckern durch eine Wasserlandschaft, eher durch einen Wasserwald. Riesige Urwaldbäume ragen heraus, ihnen scheint das Wasser nichts anzuhaben. Andere Bäume und Büsche sind zur Hälfte im Wasser verschwunden oder es kucken nur noch Spitzen heraus. Aber alles lebt und blüht.
Und die Tierwelt!
Gleich bei unserem Fahrzeugwechsel sehen wir die rosa Flussdelphine im Wasser dümpeln. Sie sind sehr groß und ihre lange schmale Schnauze und der runde Kopf sind gut zu sehen.
Auf unserer 2-stündigen Bootsfahrt zu unserer “Pampas-Lodge“ begegnen wir unzähligen Luft- und Wasservögeln, neugierigen Äffchen, Schildkröten und Krokodilen.
Die Lodge befindet sich mitten im Fluss gebiet, also quasi auch im Wasser. Der Begriff Lodge ist allerdings gaaaanz
weit hergeholt, wie sich schnell herausstellt. Nicht, dass wir uns nicht auf einfache Verhältnisse eingestellt hätten, der Tourpreis lässt Luxus nicht zu. Aber der innere Zustand dieser “Lodge“ ist echt hardcore: stinkende Räume mit Lineoliumfußboden von 1950, zu Betten zusammen genagelte Bretter, an allen 4 Bettpfosten mit Rödeldraht befestige Latten (Halterungen für das löchrige Moskitonetz). Die Decken sind abgetackert mit grünen Staubschutznetzen vom Bau, versiffte Matrazen und Wanzenkekel oben auf den Moskitonetzen.... von den Dusch- und Toilettenbedingungen möchte ich nicht weiter berichten, sehr sehr basic...
Naja, nun sind wir hier und eigentlich hat auch noch niemand jemals gesagt, dass es im Dschungel gemütlich ist, also Augen und Nase zu und durch, wir sind ja auch nicht zum schlafen hier.
Wir haben auch gar nicht viel Zeit, uns aufzuregen, denn schon pfeift und uns unser guide wieder ins Boot. Es geht weiter, auf Wasserwegen durch eine faszinierende Lebenswelt, die vor allem bei abgestelltem Motor unzählige Stimmen aus dem Dickicht hervorzaubert. Am beeindruckendsten sind die Geräusche der Brüllaffen, die laut und dumpf durch den Wald hallen. Einmal kommen wir dicht an einem vorbei, auf einem Baumast liegend, die langen Arme und Beine hängen lasch herunter.
Und so geht es auch die nächsten Tage. Wilfredo steuert uns geschickt durch den Wasserdschungel, er kennt jeden Nebenarm und es ist erstaunlich, dass wir uns nicht verirren. Wir beobachten Sonnenuntergänge an einer Dschungelbar, suchen im Dunkeln mit Taschenlampen nach orange leuchtenden Krokodilaugen, unternehmen eine motorfreie Sonnenaufgangstour und erleben dabei das Erwachen des Urwaldes. Wir begeben uns auf die Suche nach Anacondas (ohne Erfolg) und Flußdelfinen, die uns ein Stück bei unserer Bootsfahrt begleiten. Udo versucht, Piranhas zu angeln, er hätte sie gern gekostet, aber sie sind schlauer und ich bin nicht sauer drüber.
Udo nutzt die Wasseraufenthaltschance, um endlich mal wieder seine Reusen auszubringen, die er seit Monaten im Rucksack mitschleppt, um Fische und verschiedene Wasserinsekten zu fangen. Er belohnt sich mit zahlreichen Welsen, Messerfischen und Salmlern. Ein Aufschrei kommt, als mehrere Corydoras, vielleicht sogar haraldschultzii, und unbekannte Dytiscidae dabei waren (für alle Fischkenner, die mitlesen).
Und Uli schreit auf, als sie den ersten Huatzin entdeckt, einen echten Urvogel. Er wird auch Stinkvogel genannt, warum auch immer. Er sieht absolut verrückt aus und wirkt wie zusammen gesetzt aus Hühnerkopf mit Pfauenhaube, Truthahngesicht mit blauer Schminke und Fasanenkörper mit Adlerflügeldecken.
Mit seiner Unbeholfenheit, sich im Geäst zu bewegen sowie seinen äußerst bescheidenen Flugkünsten gewinnt dieser Vogel sofort Udos und meine uneingeschränkte Sympathie. Täglich freuen wir uns über jede Begegnung mit diesem Tier aus vergangenen Zeiten.
Unser Tieflandabenteuer endet mit einem ebenso verrückten Rückflug mit einem noch kleineren aber sehr flinken 2-Propeller-Maschinchen, auf jeder Seite nur eine Sitzreihe. Die beiden blutjungen Piloten steuern La Paz zielsicher und perfekt mittels Handsteuerung an und Udo beobachtet jede Bewegung im Cockpit, da es keine Tür zwischen eben diesem und der “Flugzeugkabine“ gibt.
Udo (!) bezeichnet diesen Flug kurz nach der Landung als “super toll“, klatscht daraufhin mit beiden Piloten ab uns setzt sich begeistert ins Cockpit.
DAS muss in diesem Bericht unbedingt festgehalten werden!
In La Paz angekommen, laden uns unsere beiden jungen Mitreisenden in ihre eigene “Hamburgueseria“ ein und wir schlemmen unseren ersten Hamburger in Südamerika voller Wonne, und zwar mit reichlich Pommes, Ketchup, Mayo und Cola - und finden es ganz und gar nicht verwerflich...
Muchisimas gracias,
Betty und Fernando
😘😘
18.-23.4.
Lago TITICACA
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eine Woche in der Wiege der Inkas
Wir sind schon wieder aufgeregt!
Es geht zu unserer letzten, ebenso heiß erwarteten Station in Bolivien, zum magischen Titicacasee, dem höchsten beschifften See der Welt (4068m), dem mutmaßlichen Geburtsort des Inka-Imperiums. Auf der “Sonneninsel“ soll der Sonnengott Inti seine Kinder, den ersten Inka Manco Cápac und dessen Frau Mama Ocllo, auf einem Felsen der Isla del Sol zur Erde gelassen haben. Beide sind über den “titi carca“, den “Puma-Felsen“, auf die Erde hinabgestiegen. Somit spielt die Isla del Sol in der Mythologie der Inka eine sehr große Rolle. Manco und Mama wurden vom Sonnengott mit einem goldenen Stab ausgestattet und angewiesen, dort das Inkareich zu gründen, wo der Stab in die Erde dringt - so entstand die Stadt Cusco. Wir haben uns auf der weniger touristischen Nordseite der Insel ein Hostel direkt am Wasser eingebucht, um von dort die Wiege der Inkas zu erkunden.
Reisetechnisch bedeutet dies zunächst eine 3-stündige Busfahrt von La Paz bis zum See-Städtchen Copacabana, um von dort mit dem Boot auf die Insel überzusetzen.
In Copacabana angekommen, steuern wir zielstrebig die Bootsticketverkaufsbüros an, vor deren Türen lauthals für die Überfahrt auf die isla del sol geworben wird. Als wir sodann eben solch eine buchen wollen, bekommen wir - und zwar von allen Verkaufsbüros - zu hören, dass nur die Südseite der Insel angesteuert wird und dass die Nordseite sowohl per Boot als auch zu Fuß auf der Insel selbst nicht zu erreichen ist.
Was nun? Und warum?
Auf letztere Frage hin, selbst nach mehreren Bitten um Erklärungen, bekommen wir nur ein Schulterzucken zurück und die Aussage “problemas, no puede pasar“ - geht eben nicht.
Was für problemas? Wettertechnisch, politisch, Krankheiten, Banditen? “no se“ - weiß nicht...
Aber wir haben doch dort für 4 Tage eine nicht ganz billige Unterkunft gebucht, Stornierung nicht möglich! - Schulterzucken, no se... und weiter wird an den Kokablättern gekaut und lauthals weiter um tickets für die isla del sol geworben!
Wir sind außer uns! Was ist denn das für eine Gleichgültigkeit, mit der bestimmte Umstände einfach so hingenommen werden? Warum ist man, als Einheimischer, nicht an der Situation des eigenen Lebensumfeldes interessiert? Warum wird nichts hinterfragt?
Udo will sich mit dieser Situation nicht zufrieden geben und hat die rote Wut im Gesicht. Mir ist das alles zu blöd. Udo rennt runter zum Hafen, “... na das werden wir ja sehen, ob man da raufkommt oder nicht...“ (schnauf) und ich biege ins nächstbeste Café ab, um nach alternativen Unterkünften hier im Backpacker-überfüllten Copacabana (wo wir eigentlich nicht stationieren wollten) Ausschau zu halten.
Aufgrund des touristischen Massenauflaufs gestaltet sich die Suche nach einem Hostel etwas schwierig und nimmt den gesamten Nachmittag in Anspruch. So einen Ort und so eine Situation brauchen wir echt nicht! Hostelworld und Bookingcom geben einfach nichts her, nur abgeranzte Billighostels mit baño compartido (Backpackergemeinschaftsklo/dusche). Udo nimmt einen letzten Anlauf und marschiert auf eigene Faust klinkenputzend durch den Ort. Ich bin mittlerweile völlig abgenervt vom Abenteuer Titicaca und plane im Kopf schon die Weiterreise nach Peru... soll eben nicht sein.
Aber wie es so ist, alles hat seinen Grund und so führt uns unsere verzweifelte Situation an einen Platz, der schöner nicht sein kann. Ganz oben, in der hintersten Ecke des Ortes, befindet sich, mit Blick auf den tiefblauen Titicacasee, das ruhig gelegene, nachhaltig betriebene, architektonisch besondere “Hostel“ La Cúpula und dieses hat gerade noch eine Suite mit eigenem Gärtchen, Fensterfront auf den See, Küche und Kamin frei, zu einem richtig fairen Preis
😁
Und so verbringen wir einen Traumurlaub im Traumurlaub und genießen das wunderbare Wetter an diesem wunderbaren Plätzchen. Die hauseigene Alpakafamilie leistet uns im Garten Gesellschaft. Wir erkunden die nähere Umgebung, zu welcher auch der Hausberg zählt und nach dessen anstrengender Besteigung wir mit einem fantastischen Sonnenuntergang über'm riesigen Titicacasee belohnt werden.
Das hosteleigene Restaurant bietet eine fabelhafte Küche, wie wir sie in ganz Bolivien noch nicht hatten. Die Zutaten zu allen Speisen kommen von den Bauern des Ortes, ob Gemüse, Gewürze oder Fleisch. Die Küchenabfälle gehen zurück an die Bauern zur Schweinefütterung. Ein Teil der Einnahmen aus Vermietung und Küche fließt jedes Jahr in Trinkwasserprojekte für die Gemeinde, in soziale Projekte (Fremdsprachenunterricht für die Dorfkinder) und in Sportveranstaltungen, die gesamte Wasseraufbereitung für das Hostel erfolgt über hauseigene Solaranlagen.
Wäre das nicht ein Vorbild für all die anderen vielen Hostelbetreiber?
Der Betreiber dieses Hostels ist übrigens ein Deutscher. So kann man Luxus auch in einem Entwicklungsland mit gutem Gewissen genießen!
Die angebotenen Touren im und um den Titicacasee sind absolut touristisch und für uns uninteressant. Daher begeben wir uns auf individuelle Tour, fahren mit dem lokalen Bus raus aus dem Ort in der Hoffnung, irgendwo außerhalb auf das ganz normale Leben der “See-Menschen“ zu stoßen. Und wieder bringt uns der Zufall an eine Bootsanlegestelle, an der ein “Wassertaxi“ liegt. Dieses bringt die Menschen, die von den See-Inseln auf's Festland kommen, um auf dem Markt Lebensmittel zu kaufen, einmal am Tag hin- und zurück. Wir fragen, ob wir mit auf die Insel dürfen und zwängen uns zwischen völlig erschöpfte Frauen, die mit vollbepackten Tüchern ihre Heimreise antreten.
Wieso müssen eigentlich die Frauen diese schweren Lasten schleppen, frage ich mich? Wo sind die Männer, was machen die?
Und so genießen wir eine völlig untouristische Überfahrt über den blauen See, im Hintergrund wie eine Leinwand erstrecken sich die Andenkordilleren mit ihren schneebedeckten Vulkanen. Unsere aymarischen Mitreisenden fragen sich, wo die beiden Gringos überhaupt hinwollen... und wir schlendern über die kleine See-Insel Suriqui, Heimat für ca. 1000 Seelen, mit seinem einfachen Dörfchen ohne irgendwas, den Feldern, den spielenden Kindern und den alten Männern, die die traditionellen Holzboote bauen, so wie sie seit Hunderten von Jahren in immergleichen Farben über den Titicacasee fahren.
Und natürlich besuchen wir auch die Sonneninsel (Südseite!), allerdings sind wir dort sehr schnell entzaubert. Massen von Touribooten legen dort an, bereits erwartet von den Einwohnern, die ihnen jedoch nicht ihre Welt, sondern den zigsten “Alpakapullover“ made in China oder einen Streichler übers Alpakafell (natürlich gegen Bezahlung) darbieten. Wir quälen uns mit “no, gracias“ durch die Verkaufstische und versuchen, in den 4 Stunden Aufenthalt etwas Insel und Geschichte zu erwandern. Leider liegen die interessanten Ruinen und Tempel auf der nicht zugänglichen Nordseite der Insel.
Die Insel ist eindeutig überbewertet, trotz alledem macht es Spaß, durch die alten Inkaterrassen zu laufen und die tollen Blicke auf den See zu genießen. Völlig verständlich, dass die Inka sich hier niederließen, es ist eine eigene, ruhige Welt.
Nach fast einer Woche Seeluft, Sonne, Ruhe und fantastischem Essen fühlen wir uns mega erholt und gut gestärkt für unsere Weiterreise ins Nachbarland Peru.
Wir sagen nach 5 intensiven Wochen voller wunderbarer Eindrücke, verrückter Erlebnisse und interessanten Begegnungen in einem vielfältigen Land
!!!! ADIOS BOLIVIEN !!!