Nordchile - mit dem Auto durch den Lauca-Nationalpark

1.3.2017 - der zweite Ferienmonat beginnt


Wir starten zu unserer 3. Chile-Etappe in den Norden. Der Flug von Santiago nach Arica dauert 2,5 Stunden und wieder bieten sich uns fantastische Ausblicke, diesmal auf das Andenhochland und auf die Atacamawüste. Wir landen in bester Stimmung bei 30 Grad, aber trotzdem frischem Wind. Arica liegt am Meer, es regnet hier NIE! Unvorstellbar. Man sagt, dies sei die trockenste Stadt der Welt.

Luftbild der Anden
Luftbild der Anden
Atacamawüste von oben
Atacamawüste von oben

Und dann passiert das für mich Unvorstellbare: mein Rucksack liegt nicht auf dem Band. Nicht mitgeflogen. 😨


Anzeige, ab ins Hostel und warten. Darauf, dass sich irgendjemand irgendwann meldet und Bescheid gibt, wo mein lieber Rucksack ist. An diesem Tag meldet sich natürlich niemand mehr und ich habe genug Zeit, zu realisieren, was ich alles in meinem Rucksack habe und was mir bevorsteht, wenn der sich nicht mehr anfindet. 

Der Versuch, mich nicht hinein zu steigern, scheitert kläglich. Was soll'n das jetzt für eine Probe sein? Ich bin am Boden zerstört! 

Am nächsten Morgen nach einer schlaflosen Nacht gegen 9 Uhr frage ich hoffnungslos den Herbergsvater, ob sich vielleicht jemand gemeldet hat.... jaja, die haben gestern Nacht noch angerufen, Rucksack ist gefunden, kommt heute gegen 11 ins Hostel. 

Kann der Typ mir nicht Bescheid sagen??? 


Ich verfluche kurz die chilenische Entspanntheit, aber dann ist nur noch pure Freude da. Der Urlaub ist gerettet, wir können weiterreisen und ich muss mir nicht alles neu zusammen kaufen. Nicht auszudenken, was das für eine Nerverei geworden wäre, Arica ist nicht gerade ein Einkaufsparadies.

Mensch Junge, wo warst du denn???
Mensch Junge, wo warst du denn???

Also ab geht's, den bestellten Mietwagen holen und nun führt uns die Reise hoch ins chilenische Altiplano (Andenhochland) auf eine Höhe von 4300m. Dort liegt das Indiodorf PUTRE, 50 km von der bolivianischen Grenze entfernt. Dort liegt auch der Lauca-Nationalpark. Das ist unser Ziel, den wollen wir entdecken. Die Reise führt uns zunächst langsam ansteigend durch die Wüste. Eine irreale Welt, wir sind begeistert. Und hier leben tatsächlich Menschen, in zusammengeschusterten Hütten. Wovon leben diese Menschen?

Dieses Stück Land, durch das wir fahren, gehörte einmal zu Bolivien. Der sog. “Salpeterkrieg“ (Chile gegen Peru und Bolivien 1879-1884, es ging um die Gebiete, in denen Salpetervorkommen waren) endete in einem Friedensvertrag, in dem Chile diese Gebiete zugesprochen worden. Im Ausgleich bekam Bolivien das Recht, den Hafen der chil. Stadt Arica zu nutzen, da Bolivien nun keinen Meereszugang mehr hatte. Dies zeigt sich nun darin, dass die Verbindungsstraße zwischen Arica und Bolivien - auf der wir gerade Richtung Putre fahren - eine endlose Kette von vollbeladenen LKWs darstellt. Wir also mittendrin, nicht gerade ungefährlich. Überholmanöver von LKWs sind an der Tagesordnung und wir müssen einmal Vollbremsung machen, da uns einer dieser Verrückten auf unserer Spur entgegenkommt... 

Wenn man nicht gerade im Baustellenstau steht...
Wenn man nicht gerade im Baustellenstau steht...
... kriecht man im Schritttempo zwischen dutzenden LKWs in die Höhe
... kriecht man im Schritttempo zwischen dutzenden LKWs in die Höhe

120 km in 3,5 Stunden. Wir sind in tatsächlich angekommen. Wir sind von Null nun auf 3600 Metern. Wir sind in einer anderen Welt. Aus der Wüste wurden das Land der Vorkordilleren, aus den Vorkordilleren wird das Altiplano. Hier liegt Putre. 

3.3.-9.3.17

Lauca-Nationalpark, Region Parinacota, Nordchile


Wir checken in unserem netten Hostel ein und sind ganz froh, die vielbeschworene Höhenkrankheit bis jetzt nicht zu spüren. Eigentlich sind wir auch k.o. und wollen entspannen, jedoch hören wir im Dorf seit unserer Ankunft Trommelwirbel und sind neugierig geworden. 


Aus dieser Neugier wird ein Abend voller wunderbarer Eindrücke. In Putre ist Karneval. Das ganze Dorf ist auf den Beinen, bunt bekleidet in traditionellen Kleidern, geschmückt, bemalt. Es wird gesungen, getanzt, durch die Straßen gezogen. Kaum angekommen, dürfen wir teilhaben an der indigenen Kultur, an einer Feier zu Ehren Pachamama (Mutter Erde), an Tradition, Lebensfreude und Stolz. Wir ziehen mit, bekommen Kaktusschnaps angeboten, werden mit Mehl eingerieben und am Ende tanzen wir mit den Einwohnern auf dem Dorfplatz. Benebelt, völlig erschöpft und überglücklich ziehen wir irgendwann in unsere Betten.

Der nächste Morgen zeigt uns unerbittlich unsere Grenzen auf. Kopfschmerzen, Atemprobleme, dicke Nase - die Höhenkrankheit hat uns am Schopfe, zum Glück verspüren wir keine Übelkeit. Ich kriege mich schnell mit Aspirin in den Griff. Udo hat 2 Tage zu kämpfen, versucht jegliche Art von Schmerzmitteln, nichts hilft, der Kopfschmerz lässt nicht nach. Bis wir uns an die Reiseberichte mit den Koka-Tee-Tipps erinnern. Also ab in die Dorfkneipe und Mate-Koka bestellt. Danach in den Dorfkiosk und ganz offiziell Kokablätter gekauft. Udo erinnert sich an Fernsehberichte, in denen die Indios wegen der Höhe ständig auf Kokablättern kauen. Also rein das Zeug in den Mund und siehe da, nach 2 Stunden schwindet der Kopfschmerz und das Leben wird wieder soooo schön...

Der Lauca-Nationalpark liegt auf einer Höhe von 4000-6000 Metern. Er ist landschaftlich durch Extreme (Vulkane, ewige Steppen, Seen und Lagunen, Schluchten) gekennzeichnet und weist eine beeindruckende Tier- und Pflanzenwelt auf. Wir haben das Glück, mit unserem Mietwagen auf individuelle Entdeckungstour gehen zu können, anhalten und verweilen zu können, wo und solange wir wollen. Ein absoluter Luxus.

Was haben wir also entdeckt?


Die weiten Ebenen des Altiplano, im Hintergrund die Berge des Andenhochlandes. Man kann sich nicht satt sehen. Steigt man aus dem Auto, folgt absolute Stille. Fauna und Flora einzigartig, an die Bedingungen dieser Hochebenen angepasst.

Wir machten uns auf dem Weg zum angeblich höchsten See der Welt, den Lago Chungará auf 4600 m Höhe. Er ist nicht besonders groß und liegt malerisch am Parinacota-Vulkan. Man kann ihn leider nicht umwandern, also fröhnten wir einem unserer Reisehobbies: Vogelbeobachtung.

Das Wahrzeichen des Nationalpark ist der majestätische Vulkan Parinacota, der sich wie ein Kegel 6350m hoch über dem Altiplano erhebt, neben ihm sein Bruder Pomerape. Er befindet sich direkt an der Grenze zu Bolivien. Um ihn in seiner ganzen Pracht bewundern zu können, muss man sich vormittags auf den Weg machen, denn ab nachmittags hüllt er sich wieder in Wolken. Was für eine Magie...

Wir besuchten verlassene Indiodörfer, meist nur noch zu 1/3 bewohnt von den Aymarern, die hier den Hauptteil der indigenen Bevölkerung ausmachen. Aber hier fanden wir auch Don Pedro, der uns mit Hühnersuppe, Mate-Koka und Alpakagulasch verwöhnte. 

Er erzählte uns 2 Stunden alles, was ihn so bewegt. Er fragte nicht ein einziges Mal, ob wir ihn überhaupt verstehen. Er erzählte von den langen, langweiligen Wintermonaten, in denen viele Tiere sterben und kaum noch ein Mensch in die Dörfer kommt, von der Abwanderung der jungen Leute und davon, dass die meisten Chilenen (besonders die aus den Städten) gern mal in die Gegenden der Indigenen kommen und interessiert sind, aber nicht zugeben wollen, dass sie selbst ja auch von eben diesen (größtenteils Mapuche) abstammen. Wir verstanden ca. 20% seiner Erzählungen, aber immerhin..

Wir nahmen weite, nicht ganz ungefährliche Wege über einen Vulkanpass (5200m) auf uns, um in die in Vielfarben getauchten Vulkanlandschaften “einzutauchen“...

Auf dem “Mond“:

Auf dem “Mars“:

So überwältigend schön diese Landschaften sind, alles wird erst zu einem perfekten Zusammenspiel durch ihre Bewohner, die unzähligen Tiere. Der Einklang von Natur, Mensch und Tier ist hier zu spüren, denn die Tiere scheinen den Menschen hier noch nicht als Gefahr wahrgenommen zu haben. Weder zerstört er ihren Lebensraum noch fügt er ihnen Leid zu. Und so passiert es, dass wir oftmals bis auf 2-3 Meter an sie herankommen, zwischen ihnen verweilen, ihr Verhalten beobachten können. Sie lassen sich durch unsere Anwesenheit überhaupt nicht stören. Das sind für uns die schönsten Momente dieser Reise.

Die lustige Welt der Tiere im Lauca-Nationalpark:

Das Lama

Erkennbar an seiner komischen Ohrform und ein recht großer Geselle. Es kann ziemlich gut rennen und wird hier von den Bauern als Lastenträger, Woll- und Fleischlieferant genutzt. Rennt überall rum, kommt hinter jeder Ecke vor und hat einen etwas dümmlichen Blick.

Das Alpaka

Kleiner als das Lama, Fell im Gesicht und eine unmögliche Körperform 😀. Dicker Körper auf viel zu kurzen X-Beinen. Rennen daher fast unmöglich.

Dafür oft mit hübschem Ohrbehang oder bunten Bändern am Fell anzutreffen. Alpakawolle und Fleisch sind sehr beliebt. Wir haben uns in Putre 2x Alpakafilet gegönnt, ein Traum.

Alpakas leben nur auf dieser Höhe und fressen nur ganz bestimmte Pflanzen. Sie sind total witzig anzuschauen, haben kaum Scheu und sind oft sehr neugierig. Das Allerschönste sind ihre Babys...

Das Vicuña

Grazil,  schnell, wunderschön anzusehen, ein echtes Wildtier, daher etwas scheuer.  

Das Vicuña hat die feinsten und am besten isolierenden Haare weltweit. Die Wolle der Vicuñas ist die seltenste und teuerste Wolle der Welt. Wegen eben dieser wurde das Tier von den Inkas hoch geachtet, von den Spaniern fast ausgerottet und gilt nun als geschützte Tierart im Nationalpark.

Das Vicuña ist kleiner als seine Verwandten, die Guanacos in Südchile. Es lebt in großen Gruppen und ist überall da anzufinden, wo in den grünen wasserreichen Oasen des Altiplano ein ganz bestimmtes Moos wächst (Bofedales).


Das Vizcacha.

Eine charmante Mischung aus Hase, Chinchilla und Känguru. Lautlos, unängstlich, tiefenentspannt. In den paar Tagen hier oben im Altiplano entdeckten wir die besten Vizcacha-Beobachtungsplätze, an denen natürlich kein Reisebus anhält. Als Udo das einem französischen alten Herrn erzählte, der auch in Putre Station machte, bekam er sofort ein Job-Angebot: bitte bitte Privattouren für ihn und seine Frau an all die schönen Orte hier oben, Geld spielt keine Rolle...

Der Suri

Der kleine Verwandte des Nandus in Südchile und die kleinste Straußenart weltweit. Liegt breit auf den Sandpisten und sonnt sich. Rennt dann blitzeschnell weg, total witzig anzusehen und mein heimlicher Favorit. 



Naja, und dann noch die vielen Vögel und Eidechsen und so weiter. Hier für alle Tierfreunde noch ein paar Impressionen:

Und als ob das nicht genug wäre, entdeckten wir zwischen all den Vulkanen, weiten Ebenen und Seen auch noch wundersame Canyons, fruchtbare Täler und heiße Schlammlöcher. 


6 Tage Chile norte, ein Radius von 50 km und wir erahnen das Ausmaß dieses Landes, dieses Kontinents und die Kraft der Naturgewalten. Oben, auf 4800 m Höhe, liegen runde Steine, die in ihrer Form nur durch Meeresbrandung entstehen konnten. Zeugen einer Jahrmillionen währenden unvorstellbaren Plattentektonik, denn dieser frühere Meeresboden mit seinen Küsten wurde nunmehr auf über 4000m angehoben.

Unser Abenteuer Nordchile, bei dem wir in so manchen brenzlichen Situationen auch so einige Nerven gelassen haben (Auto im tiefen Sand festgefahren, Auto kommt den mutig genommenen Steilabhang nicht mehr hoch, Unwetter mit Hagel, Blitz und Schneeregen bei Passquerung in 5200m Höhe, ohne Leitplanken natürlich...), endet mit einem Chill-Wochenende im Öko-Hotel “Apacheta“ unten in Arica an der Pazifikküste bei 30 Grad.


Hier genießen wir 2 Tage Küstenstimmung vom Feinsten, freier Blick vom Hotelzimmer auf eine Seevogelkolonie, Wellengeräusche und gutes Essen und feiern unser 10-jähriges Jubiläum. 💞

Gegrillter Octopus auf Zitronenkartoffeln
Gegrillter Octopus auf Zitronenkartoffeln



Adios Nordchile, 

du hast uns fasziniert!