11.-28.7.2017
Wir sind in Costa Rica.
Vor 5 1/2 Monaten begann unsere Reise an der Magellanstraße in Patagonien und nun sind wir am Endziel angekommen. Wir wussten nicht, welche Wege und Abenteuer uns hierher führen werden und ob wir überhaupt hier ankommen.
Und nun sind wir hier, Wahnsinn!!
Unser Weg hierher führte uns von Panama City im Tica-Bus
(der alle mittelamerikanischen Länder durchquert) 19 Stunden lang bis San José.
Der Grenzübertritt nach Costa Rica war der Unangenehmste der gesamten Reise.
So wie man uns auf den San Blas Inseln stundenlang auf einen “Eintrittsstempel“ nach Panama warten ließ, so schikanierte man uns (die gesamte Busladung) bei der Ausreise in Form eines psychopatischen panamaischen Zollbeamten, der uns allesamt mitsamt unserem Gepäck vor ihm antreten ließ, um uns in einer 20-minütigen Schreiorgie zu erklären, dass das hier auch alles SEHR unangenehm werden und GERNE auch die ganze Nacht dauern kann, wenn wir uns einbilden, wir könnten IHN hier vielleicht verarschen und würden irgendwas Verbotenes (?) im Gepäck haben, denn ER LIEBT SEIN LAND und WEHE, es würde jemand seinem geliebten Land schaden wollen (hä? Wir wollen doch raus aus dem Land), dann würde aber hier eine Bombe platzen... bla bla bla ... Und dann rief er jeden einzelnen Namen der Busspassagiere auf und erwartete als Gegenantwort “presente, Señor!“
Gar nicht auszudenken, wenn der unser gegenseitiges Augenzwinkern und den Hauch von Lacher im Gesicht bemerkt hätte... eigentlich gar nicht lustig, wenn man bedenkt, wie sich hier die Leute aufspielen dürfen mit ihrem kleinen bißchen Macht, die sie für einen kurzen unbedeutenden Moment besitzen. Ein Mitreisender aus Guatemala entschuldigte sich bei uns, schämte sich sichtlich fremd und erzählte, in seinem Land würden einreisende Touristen ein Angebot für eine kostenlose Behandlung im Krankheitsfall bekommen. So unterschiedlich ist Mittelamerika.
Und dann stehen wir vor dem Immigrationsschalter von Costa Rica, dem “modernsten“ Land Mittelamerikas, es regnet, wir können uns nicht mal unterstellen, das Licht fällt 3 mal aus, die Passkontrolleure sind maulfaul und schlecht gelaunt, wir müssen unsere Rucksäcke auf einem nassen Betontisch für die Zollheinis öffnen und wir vermissen irgendwie das uns bisher in jedem neuen Land empfangende “Bienvenidos“-Schild...
San Rosé ist eine Stadt, die man nicht sehen muss, weshalb wir nach einer halbtägigen Erholungspause in einem muffligen Hotel mit dem recht günstig erstandenen Mietwagen ganz schnell aus dieser Stadt verduften.
-
Seit 7 Tagen sind wir nun mit dem Mietwagen unterwegs. Wir mussten unsere Eindrücke erst einmal sammeln und wirken lassen, um uns ein Bild von diesem Land machen und diesen Eindruck auch formulieren zu können.
Das weniger Schöne zuerst:
Warum Costa Rica als “die Schweiz Mittelamerikas“ bezeichnet wird, erschließt sich uns irgendwie nicht. Es ist ein friedliches Land mit freundlichen Menschen. Aber die Lebensqualität der Bevölkerung erscheint uns nicht sehr hoch, verglichen mit dem, was wir in Panama oder auch Kolumbien gesehen haben. Der Großteil der Menschen lebt von Viehzucht oder Landwirtschaft, wohnt in kleinen Holzbehausungen, die Versorgung mit (gesunden) Lebensmitteln ist nicht besonders, die Supermärkte sind spärlich ausgestattet, nur Büchsenzeug. Die Preise in den Minimärkten sind enorm hoch und wir fragen uns, wie die Menschen das hier bezahlen können. Besonders in den Küstenregionen wirkt Vieles sehr heruntergekommen, in Zentral-Costa Rica wirkt alles etwas solider.
“Reichtum“ erkennt man hier am Auto (Toyota Hilux) und daran, dass im Palmengarten ein Steinhäuschen mit Dachziegelb statt einer Bretterbude mit Wellblechdach steht.
Obwohl das Land vor allem von amerikanischen Touristen überschwemmt wird (zumindest in der Hochsaison, wir haben jetzt zum Glück Nebensaison, weil Regenzeit), ist die touristische Infrastruktur äußerst mangelhaft. Ausnahmen sind größere Ortschaften, die Anlaufpunkt für alle Reisebusse sind, dort gibt es ein paar bessere Hotels und Restaurants.
Ansonsten wirkt es fast überall äußerst in die Jahre gekommen, abgeranzt, ein bisschen wie ein Abgesang. Es ist quasi fast nicht möglich, eine Unterkunft unter 100 Dollar zu bekommen, die unserem bisherigen Reiseanspruch (und der ist wahrlich nicht hoch) gerecht werden kann.
Busverbindungen sind rar, Collectivos oder Sammeltaxis sucht man hier vergebens.
ABER:
... und das ist der Grund, warum wir ja hier sind:
Die Natur ist UMWERFEND.
In Costa Rica ist durch die Schaffung der Nationalparks ein Großteil der ursprünglichen Wälder erhalten geblieben. Regenwald, Trockenwald, Nebelwald... man kann sich gar nicht sattsehen an so viel Ursprünglichkeit. Und alles ist so sauber, keine Vermüllung wie in Kolumbien oder in Peru.
Allerdings bekommt man hier nichts umsonst.
Jeder noch so kleine Nationalpark, selbst mit Wanderwegen, die max. eine Stunde dauern, kostet Eintritt, jedes mal zwischen 15-25 $ pro Person. Leider ist hier auch der “Adventur-Tourismus“ auf Hochtouren: Canyoning, Rafting, Skywalking, Skytrekking, Ziplining, Skydiving, Adventuredinner... für teuer bezahltes Adrenalin im Costaricaurlaub ist in jedem Fall gesorgt und der amerikanische Mitreisende steht drauf.
Wollen wir nicht.
Wenn man also von Abenteuern in Costa Rica schreiben will, dann besteht UNSER Abenteuer darin,
... alle 2-3 Tage eine annehmbare und gleichzeitig bezahlbare Unterkunft ausfindig zu machen (gelingt selten, entweder nicht annehmbar oder nicht bezahlbar oder nicht bezahlbar UND trotzdem nicht annehmbar)
... jeden Tag wenigstens EINmal irgendetwas Anständiges zu essen zu finden (wir stehen einfach nicht auf trockenen Reis mit schwarzen Bohnen und Rührei), und vor allem:
... mit offenen Augen und Ohren abseits der Touristenpfade durch das Land zu streifen, um all die Tiere zu sehen, die ALLE sehen wollen und von denen ALLE hoffen, diesen in den Nationalparks zu begegnen, was den MEISTEN nicht gelingt, denn die Tiere sind nicht in den Urwäldern, sondern vielmehr in halboffenen Landschaften anzutreffen. Immer wieder lesen wir in den Reiseblogs von enttäuschten Touristen, die nach 2 Wochen CR-Urlaub nach Hause fliegen, ohne auch nur einem einzigen Tier begegnet zu sein...
Und umso mehr erfreuen wir uns täglich auf's Neue an all dem bunten Leben, dem wir hier begegnen dürfen. Mit Fernglas und Kamera ausgerüstet, begeben wir uns auf die Pirsch, entdecken über 90 verschiedene Vogelarten (davon 6 verschiedene Tukanarten und eine ganze Familie der seltenen hellroten Aras), Faultiere, Nasenbären, Brüllaffen, gelbe und grüne giftige Schlangen, bunte Frösche, Minihirsche, unzählige Schmetterlinge, Waschbären und so weiter...
Wir fahren die Pazifikküste entlang, durchqueren die vulkanischen und urwaldbehangenen Cordilleren und entspannen die letzten Tage an der Karibikküste und dem schönen Cahuita-Nationalpark, wo der Urwald bis ans Wasser geht.
Einer der Höhepunkte ist der Besuch des Sloth-Sanctuary, dem berühmten Faultierkranken- und waisenhaus des Landes. Hier werden verletzte Tiere aufgepäppelt und kleine Faultierbabies großgezogen, die ihre Mutter aufgrund von Unfällen oder Hundeattaken verloren haben. Mein Gott, was sind das für seltsame und herzallerliebste Tiere, was geht mir das Herz auf. Mit Professionalität und viel Liebe wird hier alles getan, um den Tieren, die nicht mehr ausgewildert werden können, ein schönes Zuhause zu geben. Die costaricanische Regierung gibt hierfür keinen Cent, das Krankenhaus hält sich ausschließlich über Spenden und die Eintritte der Besucher. Soviel zum Thema “Vorzeigeland im Umweltschutz“...
Unsere Eindrücke der Reise durch dieses Land lassen sich wohl kaum besser ausdrücken als in den folgenden Bildern...
Costa Rica
- BILDERGALERIE -
Fantastische Tierwelt:
Typische Wohnhäuser in der “Schweiz“ Mittelamerikas ...
Urwälder und Strände:
Herzzerreißend niedlich, sanft und gerettet:
Und am letzten Tag entdeckt:
ein Kolibri-Nest!
😀😀