22.05.2017
Wir sind in Ecuador!
😀😀
Nach 3 Stunden Busfahrt von Piura in Nordperu stehen wir am Grenzübergang Mancara. Als wir aussteigen, schlägt uns eine schwüle Lawine entgegen, 32 Grad im Schatten und 100% Luftfeuchtigkeit. Wir realisieren sofort, dass wir in einer völlig anderen Klimazone sind.
Die Abfertigung ist unspektakulär und unfreundlich. Aber wir sind aufgeregt - wie immer auf dieser Reise, wenn es in ein anderes Land geht. Udo registriert sofort auf der gegenüberliegenden Talseite ein modernes Gefängnis, meterhohe Stacheldrahtzäune und hinter dem Grenzhäuschen schwere metallene Nagelketten. Nun ja, wir betreten eines der gefährlichsten Länder Südamerikas, so liest man jedenfalls. Unterstützt werden unsere Gedanken daran noch durch den Anblick schwer bewaffneter Polizisten.
Die Busfahrt geht weiter, ganze 5 Stunden werden es noch sein. Und auf einmal ist der Müll weg, der uns auf unserer Fahrt durch Nordperu durchweg begleitete. Opulente Villen rechts und links, offenbar überall Millionäre, und das an einer normalen Straße. Natodraht, bis zu 5 Meter hohe Metallzäune und allgegenwärtige Überwachungskameras runden das Bild der vorbeirauschenden Ortschaften ab. Aber es ist sauber, so sauber, dass wir uns fragen, welches Land denn nun eigentlich die “Schweiz“ Südamerikas darstellt - es sollte ja eigentlich Chile sein, aber solche Siedlungen haben wir dort nicht zu Gesicht bekommen. Dazu gesellt sich nach noch alpines Flair mit Almen, Koniferen, schwarzweißen Kühen an den Hängen sowie verstreute “bayerische“ Blockhäuser. Eine skurrile Kulisse, wenn man bedenkt, dass wir uns in Äquatornähe befinden.
Hier sitzt das Geld, und woher der Wohlstand kommt, kann man sich wohl denken und wurde und bereits auch von Einheimischen bestätigt...
Der Bus schlängelt sich auf der Panamericana durch wunderschöne Berglandschaften, in den Tälern sehen wir “Rios del Oro“ mit mechanischen Goldwaschanlagen... Zwei zu stark duftende Anzugträgertypen mit blitzeweißen Zähnen steigen zu und unterhalten sich über Gold, Platin, Silber und darüber, dass man hier in dieser Region durchaus seltene Erden explorieren sollte. Wir fragen uns, warum benutzen sie einen Bus?
Loja, die größte Stadt in Südecuador, empfängt uns mit einem Problem: wir haben nur peruanische Soles in der Tasche, am Grenzübergang gab es keine Wechselstube. Landeswährung in Ecuador ist seit dem Jahr 2000 der US-Dollar. Die damalige Regierung der USA ließ tagelang Banknoten nach Ecuador einfliegen. Heute sind die Banknoten echte US-Dollar, die Münzen dagegen eine Eigenprägung Ecuadors, gewöhnungsbedürftig.
Kopfkratzend stehen wir am Busterminal, umgeben von finsteren Gestalten und 20 Taxifahrern, und überlegen, wie wir nun ins Hotel kommen sollen ohne Kohle. Udo marschiert im Kampfschritt (bloß keine Unsicherheit zeigen) durch den Terminal Terrestre, um Barmittel aufzutreiben, ich beschütze mit ebenso cooler Miene unser Gepäck vor Diebstahl, innerlich leicht zitternd. Keine Chance, keiner der 3 Geldautomaten spuckt auch nur einen Dollar aus. Udo will den Taxifahrern peruanische Soles andrehen und wird lauthals ausgelacht, zwei der Herren drehen sich auf der Stelle um und suchen sich ein anderes Klientel. Ich kriege wieder mal einen Panikanfall. Udo fällt ein, dass in einer Tasche gaaanz unten in seinem Riesenrucksack noch ein paar einzelne Dollarscheine aus alten Tagen stecken. Also zurück zur Taxiclique und neue Verhandlungen aufnehmen: Geld (2$) gibt's erst im Hotel. Der Taxifahrer zeigt uns einen Vogel, lässt uns aber einsteigen. Und so bekommen wir an diesem ersten Abend in Ecuador doch noch ein Bett...
Am nächsten Tag geht die Reise gleich weiter, mit einem lokalen Bus ins 50 km entfernte Vilcabamba, auch bekannt als das “Tal der Hundertjährigen“, wir sahen eine Geo-Dokumentation darüber. Hier leben laut einer Studie die meisten Menschen mit einem Alter über 100.
Gründe dafür sind wohl die Kombination aus gesundem Klima, organischer Ernährung, Gelassenheit, einer heilenden Quelle und der positiven Energie, die dort durch die Luft schwirren soll. Vor allem Letztere hat in den vergangenen Jahren viele reiche Amis (die auch alle über 100 werden wollen) und unzählige Yogis und Möchtegern-Aussteiger angezogen, so dass der Ort mittlerweile mehr prächtige Villen, alternative Cafés mit Yogaraum und Kunstgewerbeläden hat als alte Menschen.
Entspanntes Dorf-Flair in Vilcabamba - doch wo sind die alten Menschen?
Wir verbringen 5 schöne und erholsame Tage im grünen subtropischen Vilcabambatal, das voll ist mit Schmetterlingen und Blumen. Unsere Unterkunft liegt auf einem Hügel mit Blick ins Tal, der deutsche Besitzer hat Geschmack bewiesen - es ist ein Ort zum Wohlfühlen.
Und tatsächlich bemerken wir am Abend von unserer Hängematte aus am gegenüberliegenden Berg merkwürdige wandelnde Lichterscheinungen und können nur vermuten, dass es sich um elektrische Entladungen in der Luft handelt. Aber wer weiß das schon, vielleicht gibt es in diesem Tal wirklich Dinge, die man nicht erklären kann.
Ein Ort zum Abhängen:
unsere Unterkunft mit Garten und Talblick
Um das Tal und seine Umgebung zu erkunden, kann man wandern, eine Tour buchen oder sich ein Pferd mieten. Die Pferde hier sind an die speziellen Bedingungen der Landschaft angepasst und sind fantastische und sichere Kletterer. Also zögern wir nicht, denn wir sind des Wanderns noch immer müde, und unternehmen mit unserem lustigen Pferdeguide Juan Carlos mehrere ganztägige Pferdewanderungen über - in wahrsten Sinne - Stock und Stein und überwinden dabei beträchtliche Höhenmeter.
Hochzu heißt es dann:
nach vorne lehnen,
Runterzu: nach hinten lehnen,
ansonsten droht der Abgang vom Pferderücken. Wir geben uns die größte Mühe, unsere Pferde mit unserem Gewicht nicht allzu sehr zu belasten und hecheln die Kilos weg, loben unsere tüchtigen Begleiter alle 20 Sekunden (muy bien, mi amigo) und vertrauen darauf, dass sich die amigos selbst ja auch nicht die Beine brechen wollen...
Juan Carlos plauscht mit uns und ist sehr neugierig (Seid ihr verheiratet? Wieviele Kinder habt ihr? Esst ihr auch so gern Schweinefleisch mit Reis? Soll ich euch verraten, wo es die schönsten Frauen Südamerikas gibt und wieviele ich davon hatte?...) Wir sind verdammt stolz, dass es uns gelingt, stundenlang zu plauschen, wir verstehen ihn und er uns, wir machen Witze und das alles mit unserem 300-Vokabel-Wortschatz 💪
Unsere Pferdewanderschaft führt uns auf grüne Höhen mit wunderbaren Ausblicken, in Täler mit rauschenden Flüssen, durch einsame Dörfer mit so richtig alten Menschen (über die es keine Reportagen gibt) bis ins Urwaldgebiet mit wunderbar erfrischendem Wasserfall und Picknick am Wasser.
Es ist wunderbar, die Gegend auf dem Pferderücken zu erkunden, aber es ist auch anstrengend und wir merken an den Folgetagen - wie seit lange nicht mehr - Bauch-, Po- und Oberschenkelmuskeln. Wie schön, dass wir so eine tolle, ruhige Unterkunft haben, wo wir die restliche Zeit zwischen Riesenhummeln, Kolibris und Blumendüften abhängen und durchs Gelände stromern können.
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Ein kühles Bier auf der Plaza für
tapfere Caballeros
Am letzten Tag, auf der Plaza sitzend, überrollt direkt vor unseren Augen ein Pickupfahrer mit seiner Familie ganz langsam, aber unüberhörbar, einen Hund, der es sich auf der Straße gemütlich gemacht hat. 😢
Das arme Tier schleppt sich wimmernd bis vor unsere Füße und der Pickupfahrer mit seiner Familie schaut kurz zu uns rüber und rollt dann langsam, unberührt und ignorant weiter. Udo glaubt an Hüfte kaputt und innere Verletzungen, ich lege sein Köpfchen in meine Hand und man spürt regelrecht seinen bettelnden Blick “helft mir“. Zum Glück findet sich zwischen all den hilflos herunstehenden Menschen ein Paar, das sich anbietet, das Tier zu einem Tierarzt im Dorf zu fahren. Dieses Erlebnis wirkt noch lange nach, wissend, dass dieses Schicksal tausende von Hunden auf den Straßen Südamerikas ereilt, die meisten werden sicher nicht erlöst...
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Am 28.05. verlassen wir das schöne Vilcabambatal und fahren mit dem Van ins süd-ecuadorianische Städtchen Cuenca, bekannt für seine hübsche koloniale Altstadt und einem großen Angebot an Kunsthandwerk. Hier lässt sich Udo bei einem Sattler eine Lederhülle für seine in Vilcabamba erstandene Original-Machete (seit er sie bei Pferde-Juan gesehen hat, war klar, dass er auch so eine haben muss) herstellen.
Da wir aber am nächsten Tag weiterreisen, muss Udo den Sattler überreden, seine Pferdesättel beiseite zu legen, um noch an diesem Tag das gute Stück fertigzustellen, und zwar inklusive Gürtelhalterung, Vernähung und eingestanzten Verzierungen. Und um das Outfit perfekt zu machen, wird dann gleich noch ein Original-Leder-Gaucho-Hut erstanden. Um 12 Uhr beauftragt, soll das gute Stück um 17 Uhr abgeholt werden. Als Udo erscheint, wird gerade noch die Gürtelhalterung vernietet.
Udo zieht den neu erstandenen Hut vor dieser Meisterarbeit - in Deutschland undenkbar, wenn man bedenkt, dass man in Potsdam für das lächerliche Besohlen eines Schuhs 2 Wochen warten muss..
Und dann geht die Reise weiter.
Mit dem Kleinbus verlassen wir die Panamerikana in Richtung Westen, aus dem Hochland immer abwärts ins Tiefland Ecuadors, vorbei an den großen Bananenplantagen, die die Früchte für Europa produzieren, bis zur Hafenstadt Guayaquil, von wo aus wir eine ganz besondere Reise starten werden...
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Auf dem Weg Richtung Pazifik - Blick über die Wolken, die über dem Tiefland hängen