15.6.2017
Wir steigen zum fünfzehnten Mal in diesem Urlaub in den Flieger. Es geht nach Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens
Kolumbien:
Drogenkriege, Armut, Guerillakriege der Farc, Entführungen - das sind die Bilder, die eigentlich jedem im Kopf erscheinen, der an dieses Land denkt. Auch uns. Dazu die besorgten Fragen von Familie und Freunden “Wollt ihr wirklich nach Kolumbien??“
Ja. Wir wollen nach Kolumbien. Wir wollen erleben, wie es dort ist. Wir haben sehr viel gelesen, sehr viel von anderen Reisenden gehört, so viel Interessantes im Spanischkurs gelernt...
Nun sind wir in Bogotá.
Für einen Nachmittag, mehr Großstadt wollen wir nicht. Aber dieser Nachmittag stimmt uns ein auf dieses schöne Land, denn das erste, was wir wahrnehmen, ist Lebendigkeit und Freundlichkeit. Und was für eine Freundlichkeit! Die Menschen grüßen auf den Straßen, Studenten führen eine kleine witzige Oper auf, im bunten Hostel läuft ein kostenloser Salsakurs und auf der Plaza Grande begrüßt uns ein älterer Herr im Anzug:
“Bienvenidos en Colombia!
Colombia es mi casa - Colombia es tu casa!“
In dieser Stadt ist zunächst nichts zu spüren von Angst, Gefahr und Kriminalität. Natürlich wollen wir auch nichts herausfordern und machen uns bei Einbruch der Dunkelheit auf ins Hostelzimmer, denn der nächste Flieger startet am nächsten Vormittag.
Wir wollen ins Kaffeedreieck von Kolumbien. Das “Triangúlo del café“ befindet sich 200 km südwestlich von Bogotá, in der unteren Andenregion mit feuchtwarmen Klima. Wir wissen, dass dieses Gebiet auch von den Kolumbianern schon seit einiger Zeit gern als touristisches Ziel genutzt wird und haben daher überhaupt keine Zweifel, dass wir relativ sicher unterwegs sein werden.
24 Stunden später stehen wir im grünen Kaffeetal, unweit des Örtchens Salento, vor einer wunderschönen Hacienda, umgeben von grünen Bergen, inmitten einer Kuhherde. Hier werden wir 8 tiefenentspannte Tage verleben.
Die Hacienda gehört Hector und seiner Familie. Sie führen einen landwirtschaftlichen Bio-Kleinbetrieb, produzieren Milch und Käse und besitzen auch einige Hektar Kaffeeland. Seit ca. 10 Jahren führen sie ihre Hacienda als kleines Hotel, womit sie den größten Teil ihres Lebensunterhalts verdienen. Und weil dies so ist, tun sie alles dafür, dass sich ihre Gäste wohl fühlen. Rund um die Uhr sind sie abrufbereit, um uns dorthin zu fahren, wohin wir wollen. Zur Begrüßung bekommen wir auf Wunsch ein Glas frische Milch, die vor einigen Stunden den hauseigenen Kühen auf der Wiese abgepumpt wurde.
Gleich am ersten Abend gibt es ein Willkommensfeuer mit Lomo Saltado.
Die Art der Zubereitung ist erwähnenswert: ein großes Stück Rindsfilet, mit Kräutern eingestrichen, wird in ein mächtig gesalzenes Leinentuch eingewickelt. Dabei darf am Salz nicht gespart werden, da dieses eine wichtige Funktion bei der Zubereitung hat. Das umwickelte Leinen-Filet wird in die Feuerglut gelegt. Nur ein Teil des Salzes dringt in das Fleisch ein. Der größte Teil des Salzes wirkt gemeinsam mit dem Stoff wie eine Haut und bewirkt, dass das Fleisch nicht verbrennt, sondern nach und nach gar wird. Nach 45 Minuten wird der Batzen aus dem Feuer genommen, steinhart ist nun die Leinenhaut. Jetzt löst Hector gekonnt mit einem megascharfen Messer die “Pelle“ ab und zum Vorschein kommt eine zarte Rindfleischrolle.
Dazu einen Rotwein und Avocadosalat - Hammer!
Nach dem Essen führt uns Hector seine Gesangskünste vor - eine Stunde zupft er seine Gitarre, bis auf “Guantanamera“ können wir leider nicht mitsingen, aber es ist egal.
Es ist ein wunderbarer Abend und wir fühlen uns wahrlich willkommen im Kaffeetal in Kolumbien...
Zubereitung von Lomo Saltado a la Hector:
Musik von der Gitarre und gutes Essen,
viva Colombia!
😀😀
-
KUNTERBUNTES SALENTO
Salento, ein 4.000-Einwohner-Städtchen, liegt auf einer Höhe von ca. 2000 m und ist die größte Ortschaft und das Zentrum der kolumbianischen Kaffeeanbau-Region Quindio. Von hier aus geht es hinab in die Kaffeetäler, zu den Haciendas, die neben dem Kaffeeanbau auch Milchviehhaltung Holzwirtschaft und Avocadoanbau betreiben.
Wie staunen wir, als wir das erste Mal auf der schönen Plaza im Zentrum von Salento stehen!
Nach unseren wochenlangen Reisen durch die ländlichen Regionen von Bolivien und Peru mit ihren armen Lehmhäusern oder durch vermüllte Kleinstädte strahlen uns hier buntbemalte Häuschen und saubere Gassen an. Jeder Balkon winkt in einer anderen Farbe, die Gassen sind voller Menschen, fröhlich, lebendig, authentisch.
Aus den kleinen Cafés duftet es nach kolumbianischen Kaffeebohnen, aus den Restaurants dringt Musik und auf der Plaza warten alte bunte GI-Jeeps auf Kunden, die zu den Haciendas ins Tal gebracht werden wollen.
Ältere Menschen bieten hier ihre handgefertigte Ware feil, um sich ein kleines Zubrot zu verdienen (z.b. Geldbörsen und Handytaschen aus Kuhleder), in den Geschäften hängen Panamahüte und Sommerponchos aus Leinen. Hier muss nebenbei erwähnt werden, dass die berühmten Panamahüte eigentlich aus Kolumbien und Ecuador stammen.
Jeder Salentero, der etwas auf sich hält, trägt einen Hut (Panama, kolumbianischer Palmenblatthut, Lederhut...), einen Poncho und Gummistiefel. Udo hat sich in kürzester Zeit mit seinem Outfit angepasst und wird sogar von den örtlichen Polizisten gegrüßt...
Ohne Hut fällt Udo erst recht auf.
So geschieht es, dass er bei einem Bummel über die Plaza von einer Gruppe junger Männer angesprochen wird, die ihn neugierig ausquetschen (woher? länger hier? Kinder, verheiratet?..) und ihn fragen, ob er nicht dem “club de los amigos colombianos sin pelos“ (Club der kolumbianische Glatzköpfe) beitreten will. 😂
30 Minuten und einige Bier später verlässt er als “Ehrenmitglied“ die lustige Runde, während ich nichtsahnend in einem Café auf ihn warte...
An den Wochenenden zieht es die Menschen aus der umliegenden Gegend ins Städtchen, es wird gekauft und gegessen, getrunken und gesungen. Ganz im Gegensatz zu Bogotá bemerken wir, dass die Kirchen zu den Gottesdiensten selbst am Sonntag nahezu leer bleiben.
Das ist so ein ganz anderes Südamerika, eine völlig andere Mentalität, der karibische Einfluss ist hier schon unübersehbar. Touristen und Einheimische vermischen sich hier auf angenehme Weise und die Freundlichkeit der Salenteros steckt einfach an. Fast jeden Abend machen wir nochmal einen Abstecher in die “Stadt“, um zu bummeln und zu essen. Im Halbdunkel laufen wir dann 3 km talwärts zu unserer Hacienda, die abendlichen Geräusche der Vögel und Grillen, den Tanz der Glühwürmchen und die wunderbaren Gerüche der kräuterbestandenen Wiesen und des Nebelwaldes genießend. Nirgendwo sonst auf dieser Reise wären wir abends allein auf einer Landstraße gelaufen, hier fühlen wir keinerlei Angst.
-
EINE WANDERUNG DURCH DAS REICH DER RIESENPALMEN
8 km von unserer Hacienda entfernt liegt das “Valle de Cocora“. Wir lesen, dass es sich um ein Gebiet handelt, in dem die letzten großen Bestände der Wachspalme wachsen. Die Wachspalme ist das kolumbianische Nationalsymbol. Sie kann bis zu 60 m groß und 200 Jahre alt werden - sie ist die größte Palme der Welt. Wir lesen auch, dass die Wanderung zu den Schönsten in ganz Kolumbien zählt und vor allem für Vogelfreunde eine besondere Überraschung bereithält 😀 Also los!
Der Weg führt uns zunächst durch ein grünes Tal, das bereits einen Blick auf einige Palmbestände freigibt. Nach einigen Kilometern Wanderung in tropischer Schwüle erreichen wir den Urwald und schwupps, finden wir uns im feuchten Schatten der Riesenfarne, Bromelien-bewachsenen Bäume und sonstigen Urwaldriesen wieder.
Es geht mehrere Kilometer steil bergauf, wir müssen 7 Hängebrücken überqueren, das Geräusch von Wasserfällen und die wie immer unsichtbaren Vogelstimmen begleiten uns.
Am Ende des Aufstiegs dann die Belohnung: “la casa de los colibris“ erwartet seine erschöpften Gäste mit frischem Kaffee oder Kakao und einer Vielzahl kleiner und klitzekleiner Kolibris in glänzenden Farben, die aus dem Wald mit Zuckerwasser angelockt werden und die ohne Scheu neugierig um unsere Köpfe schwirren, so dicht, dass man ihre Flügelschläge wie leise Propellergeräusche wahrnehmen kann.
Eine wunderbare Verschnaufpause und ein Streichler für Vogelfreundins Seele
😀
Kolibris!
Und weiter geht es, erbarmungslos bergauf. Udo läuft mittlerweile halbnackt durch den Wald, er trieft aus allen Poren. Trotz der Anstrengung, es ist immer wieder ein Erlebnis für die Sinne, durch solche ursprünglichen wilden Wälder zu streifen -stehenbleiben, verschnaufen, hineinhören, einatmen, riechen, den Blick durchs feuchte satte Grün streifenlassen, überall Leben.
Irgendwann lichtet sich das Grün und wir sind on the top, auf Augenhöhe mit den Nebelwolken, die über dem Urwald liegen. Und hier begegnen uns wieder die freundlichen Kolibris, diesmal ohne Zuckerwasser, von einer Blüte zur anderen schwirrend.
Nun geht es geradewegs ins Reich der Riesenpalmen. Von weitem sind im Nebel nur ihre Silhouetten erkennbar. Aber nach und nach setzt sich hier oben die Sonne durch und es eröffnet sich eine faszinierende, fast surreale Welt.
Wie riesige Streichhölzer stehen sie, kerzengerade. Sie waren einmal Teil eines vollkommenen Ur-Nebelwaldes, den es heute leider in vielen Teilen Kolumbiens nicht mehr gibt - er musste der Landwirtschaft weichen. Die riesigen Wachspalmen hat man stehen lassen, sie wirken wie Mahnmale an das, was der Mensch zerstört hat. An einigen Stellen gibt der Nebel kleine Restbestände des Bergnebelwaldes frei und wir erahnen die Schönheit dieses nicht mehr vorhandenen Paradieses.
Udo fällt sofort auf, dass die Palmenbestände restlos überaltert sind, ein Großteil der Bäume an seiner natürlichen Lebensgrenze angekommen ist und mittelgroße Bäume oder gar Sämlinge vollständig fehlen. Klar ist, dass bei der vergleichsweise intensiv betriebenen Weidewirtschaft keinerlei Pflanzen außer herkömmliches Gras und wenige Blütenpflanzen eine Chance haben. Das Internet gibt her, dass es wohl ein zaghaftes Aufzuchtprogramm von Jungpalmen gibt, von dem wir aber hier nichts bemerken können, obwohl wir uns im ursprünglichen Hauptverbreitungsgebiet dieser außergewöhnlichen Palmenart befinden.
Also heißt es wieder:
aufsaugen, innehalten, genießen, bewundern und diese besondere Atmosphäre auf uns wirken lassen.
Unser Wandertag endet mit einem saftigen Lomo Asado in herrlicher Kräutersoße und wir passen gerade noch den letzten Willys ab, der uns im Dunkeln wieder Richtung Hacienda bringt.
-
CAFE DE COLOMBIA
Was wäre eine Reise ins Kaffeetal ohne den Besuch einer echten Kaffee-Hacienda!
Um es gleich vorwegzustellen:
groß angelegte Plantagen mit Kaffeesträuchern bis zum Horizont sucht man hier (zum Glück) vergebens. Dafür reist man dann lieber nach Brasilien, Vietnam oder Indonesien.
Kolumbien steht nämlich erst an 4. Stelle der weltweit größten Kaffeeproduzenten und hier sind die Kaffetäler größtenteils noch in der Hand von Familienbetrieben mit bis zu 100 Angestellten. Meist erfolgt neben dem Kaffeeanbau auch der Anbau von Obst (Bananen, Mangos) oder Avocados. Die großen Bananen- und Mangobäume schützen die empfindlichen Kaffeesträucher vor zu viel Sonne oder Regen und geben dem Boden den nötigen Halt.
Wir besuchen eine solche Kaffeefarm und lassen uns den Prozess von der Aufzucht der Kaffeepflanzen-Keimlinge bis zum Rösten und Mahlen der Kaffeebohne erklären. Um uns herum sind die Kaffeepflücker zugange, die ihr Tagewerk verrichten. Pro Kilo gepflückter Kaffeefrüchte erhalten sie .....
Wir erfahren, wie lange die Aufzucht der Kaffeepflanze bis zur ersten Blüte dauert (3Jahre) und dass die dritte Ernte in der Regel immer die beste ist. Wir lernen den Unterschied zwischen roten und gelben Kaffeekirschen und stellen fest, dass diese allesamt süß schmecken (gelb noch süßer als rot). Uns werden traditionelle und moderne Geräte für den Trennvorgang von Frucht und Kern (Bohne) vorgeführt und wir sehen, wie die Bohnen getrocknet und geröstet werden.
Zum Schluss gibt's natürlich eine Tasse der Premium-Auslese, frisch gemahlen und aufgegossen von Udo.
Aus Keimling wird Pflänzchen wird Bäumchen...
Von der Blüte zur Frucht zur Ernte:
Trennen, Trocknen, Rösten, Mahlen:
Und genießen...