Ein neues Abenteuer steht bevor, ein neues Land, und wir sind gespannt, wie es dort wohl ist, im Land der Inka. Wir haben viel gehört und können es uns doch nicht vorstellen.
Uns steht eine Tagesfahrt mit dem Bus in die südperuanische Stadt Arequipa bevor und wir freuen uns auf neue Eindrücke.
Der frühmorgendliche Grenzübertritt gestaltet sich entspannt. Raus aus dem Bus, rein ins Ausreisehäuschen, Fußweg über die Grenzstraße, wieder rein ins Einreisehäuschen und ab zurück in den Bus. Willkommen in Peru!
24.4.-2.5.
Die weißeste Stadt Perus, 35 Kondore und der zweittiefste Canyon der Welt
Der Bus schlängelt sich 2 Stunden entlang der Westküste des Titicacasees und wir sehen rechterhand strahlendes Blau, linkerhand (landseitig) jedoch ärmliche Dorfsiedlungen, so wie wir sie nicht mal in Bolivien gesehen haben. Der Großteil der Dörfer scheint unbewohnt und verfallen, dazwischen kleine Steinbaracken, teilweise ohne Fenster, Blechtüren und Blechdächer.
Das erstaunt uns und wir schieben es erstmal darauf, dass wir hier durch die Grenzregion fahren...
Leider werden wir im Verlauf unserer Perureise eines Anderen belehrt werden: die Landbevölkerung Perus ist sehr sehr arm, der ganze Reichtum des Landes fließt in ein paar dreckige Hände und in die Touristenstädte Arequipa und Cusco. Die Dörfer sind teilweise ohne Strom und die Menschen leben wie seit Hunderten von Jahren von ihren Tieren, der Landwirtschaft und vom Tauschhandel. Warum Bolivien als ärmstes Land Südamerikas bezeichnet wird, verstehen wir nicht.
Aber die Landschaft!
Wir reisen durch das peruanische Hochland, ein Mix aus Vulkanen, Steppen, Lavalandschaft und grünen Flußtälern, unendliche Weite. Wir entdecken große Ähnlichkeit zu den isländischen Hochebenen, wären da nicht die zahlreichen Lama- und Vicuñaherden..
Erste Eindrücke von Peru...
Wir kommen abends in Arequipa an und erwarten eine weiße strahlende Stadt, haben allerdings noch nicht realisiert, dass Arequipa die zweitgrößte Stadt Perus ist. Und so quält sich unser Bus erstmal durch eine 2-stündige Rush Hour und der Verkehrslärm und Gestank setzt uns so richtig zu. Hinzu kommt, dass die Regierung einmal im Monat einen Stromspartag festgelegt hat (das erfahren wir aber erst hinterher), an dem alle Bewohner das Licht in ihren Häusern und Geschäften auf ein Minimum drosseln sollen, selbst die Straßenlaternen laufen im Sparmodus.
So fahren wir quasi durch eine laute, dunkle, stinkende Stadt und kriegen es regelrecht mit der Angst zu tun - was ist das für ein Land, wo die Menschen im Dunkeln leben müssen, was wollen wir hier und warum hat uns das niemand erzählt?
Busbahnhof Arequipa, es stinkt nach Urin, bloß schnell rein ins Taxi und ab durch die dunklen Straßen ins Stadtzentrum.
Dort abgesetzt, befinden wir uns auf einmal in einer anderen Welt: Licht, strahlende koloniale Plätze und Häuser, verkehrsberuhigte Zonen, Musik, Reichtum.
Da ist sie, die in allen Reiseführern gelobte weiße Stadt. Und wir mittendrin sind völlig konfus und schauen uns erstmal um. Alles ist sauber, die Geschäfte strahlen, es gibt eine Fußgängerzone mit KFC, Mc Donalds und allen weiteren amerikanischen Fresstempeln. In den Lebensmittelgeschäften europäische Preise... Arequipa hat den Anschluss an die neue Welt bereits geschafft. Ganz im Gegensatz zum Rest des Landes, das wir heute auf 500 km gesehen haben.
Wir fühlen uns nicht besonders wohl an diesem ersten Abend in Peru und steigen irritiert ins viel zu kleine Hostel-Doppelbett.
Am nächsten Morgen sieht die Welt schon ein bisschen besser aus.
Die Sonne scheint vom strahlend blauen Himmel, es ist angenehm warm (wie fast das ganze Jahr in dieser Stadt) und als wir aus dem Hostelfenster schauen, sehen wir im Hintergrund der Stadt die 2 schneebedeckten Vulkane Misti und Chachani hervorragen. Wir befinden uns in einer erdaktiven Region und erfahren, dass in Arequipa und Umgebung täglich bis zu 12 Erdbeben gemessen werden... dies werden wir in den nächsten Tagen noch am eigenen Leib erfahren (in kleinem Ausmaß).
Die kommenden 2 Tage nutzen wir zur Eingewöhnung und Stadtbesichtigung. Es gibt wirklich viel zu entdecken, unendlich viele schöne Gassen schlängeln sich durch die Stadt, an jeder Ecke Kirchen und Museen und überall Geschäfte mit wunderschönen peruanischen Alpaka- und Lamatextilien (Pullover, Mützen, Tücher, Teppiche) in den allerschönsten Farben.
Und überall Cafes und Restaurants - das erleben wir (außer im bolivianischen Sucre) das erste Mal auf unserer Reise, und so kehren wir abends mit mittlerweile guter Laune ein und genießen einen türkischen Teller und den ersten Pisco Sour - das peruanische Nationalgetränk.
Okay, Peru, wir sind jetzt bereit für dich, es kann losgehen!
Lecker Türkischteller mit Pisco Sour
😁👍
3 Dinge sind über Arequipa besonders erwähnenswert:
Erstens:
Gegenüber unseres Hostels liegt in einem Museum die Mumie “Juanita“, einem Inkamädchen, das unweit der Stadt Arequipa im Schneefeld eines Vulkans gut erhalten gefunden wurde. Sie wird in Peru auch “das schöne Mädchen aus dem Eis“ genannt.
Ihr Alter wird auf 14 Jahre geschätzt und sie wurde von den Inkas dem Vulkan geopfert, damit dieser kein Unheil bringt. Sie ist das anschaulichste Beispiel für Menschenopfer und wird in ganz Peru verehrt:
Zweitens:
Im historischen Zentrum von Arequipa steht ein riesiges Kloster (Monasterio Santa Catalina), eine “Stadt in der Stadt“, das bis in die 50ger Jahre für die Außenwelt unzugänglich und vollständig autark war. In ihm lebten Frauen aus reichen spanischen Familien (meist die zweite Tochter), die eine gute Mitgift ins Kloster einbrachten. Jede Nonne hatte im Kloster ein eigenes Haus mit Wohn- und Betbereich und eigener Küche. So nach und nach starben die Nonnen und es gab kaum noch Nachwuchs. In den 60ger Jahren wurde das Kloster schließlich geöffnet und die verbliebenen Nonnen verließen ihre Häuser und zogen sich in einen vor der Öffentlichkeit geschützten Klosterbereich zurück.
Wir besuchten das Kloster bei Einbruch der Dunkelheit. Der Rundgang dauerte 3 Stunden, man konnte jedes Haus, Gärten, Gemeinschaftsküchen, Waschplätze, Bibliotheken und kleine Plazas durchschreiten, von Kerzen erhellt, in den alten Küchen brannten Holzscheite im offenen Ofen. Es war ein wunderbares Flair und das Klosterleben erschien einem ganz nahe. Alles in diesem Kloster ist so gut erhalten, als wäre es bis gestern noch bewohnt gewesen:
Drittens:
In Arequipa gibt es die fetzigsten Kartoffeln zu kaufen:
4 Busfahrstunden von Arequipa entfernt liegt das Colca-Tal.
“Tal“ meint hier tief eingeschnittener “Canyon“, und zwar den zweit Tiefsten weltweit!
Eine Tour dorthin kann man in jedem zweiten Geschäft buchen. Nach einer halbtägigen Recherche stellen wir fest, dass uns diese Touren nicht zusagen, zu teuer und zu kurz sind und zu wenig bzw. gar keine Möglichkeiten für individuelle Interessen lassen. Also wählen wir die Variante der eigenen Anreise mit einem lokalen Bus und buchen uns in ein kleines Hotel im Bergdorf Cobanaconde ein.
Die Anreise führt zunächst über eine fantastische Hochebene auf schnurgeraden Straßen, ein Erlebnis für's Auge, von den irrwitzigen Überholmanövern des Busfahrers mal abgesehen. Dann schraubt sich der Bus auf eine Höhe von knapp 5000m, um dann 1,5 Stunden im Wahnsinnstempo die Serpentinen runter zu rasen - keine Leitplanken, furchterregende Abgründe, Überholmanöver in Kurven... ich liege heulend in Udos Schoß und er sagt, ich hätte in jeder Kurve gequietscht und gebibbert und einmal auch lauthals ein ziemlich hässliches Wort geschrien...
Ich HASSE Busfahrten!
Aber der Colca-Canyon in seiner einzigartigen Schönheit entschädigt für all die durchlittene Todesangst. Eine 1300m-Schlucht, in der sich der Colcafluss schlängelt, die Hänge seit der Inkazeit bis in den letzten Winkel terassiert und heute noch landwirtschaftlich genutzt, ursprüngliche Dörfer und eine alles überstrahlende Ruhe.
Hier lässt es sich aushalten, rumstromern und auf Entdeckungsreise gehen. Peru in seiner ganzen Ursprünglichkeit, kaum Touristen und ein Dorfleben, in dem die Bewohner ihren Tätigkeiten seit Jahrhunderten auf die gleiche Weise nachgehen. Sie bestellen ihre Terassen, ernten Quinoa, bewachen ihre Tiere. Sie lassen sich von den wenigen Touristen nicht beeindrucken, plauschen auf der Plaza, sehen ihren Kindern beim Spielen zu und feiern eines ihrer Straßen-Dorffeste zu Ehren einer von vielen Heiligen Jungfrauen mit Pauken, Trompeten, Tanz und gaaanz viel Bier, und das 2 Tage hintereinander. Wir stehen am Straßenrand und bewundern die Feierlaune, die Power und vor allem den regionalen Stolz der Menschen, die hier Nachfahren der vorinkaischen Cabanakultur sind.
Ein Dorf feiert...
Quinoa-Ernte:
In den 5 Tagen, die wir hier verbringen dürfen, wandern wir auf alten Inkapfaden, besuchen uralte Ruinen aus der Vorinkazeit und genießen fantastische Ausblicke in die Colca-Schlucht.
Jeden Abend verwöhnt uns die einheimische Hotelköchin mit bester peruanischer Küche. Mein Lieblingsessen: Filet de Alpaca mit Quinoa-Püree und Andenkräutern
😋
Das absolute Highlight unseres Colca-Urlaubs jedoch ist die Condor-Beobachtung am Aussichtspunkt “El Cruz del Condor“. Dafür heißt es früh aufstehen und mit ungefähr 60 campesinos (Bauern, die morgens auf ihre Felder, zum Markt und zu ihren Tieren fahren) den ersten Lokalbus nehmen. Es geht in Zickzackkurven auf den höchsten Aussichtspunkt, wo uns der Bus ausspuckt. Mit uns steigen Frauen aus dem Dorf aus, die hoffen, einige ihrer Handarbeiten an die eintreffenden Touris verkaufen zu können.
Hier sind wir leider nicht mehr allein, denn dies ist ein beliebtes Tourziel auch für Tagestouristen aus Arequipa. Da diese aber erst gegen 10 Uhr eintrudeln, haben wir genug Zeit, um von einem schönen Felsvorsprung aus den morgendlichen Aufstieg der Condore zu bewundern. Sie nutzen die Thermik und schrauben sich ohne Anstrengung in die Lüfte. Es sind so viele, dass man sie kaum zählen kann! Altvögel mit Jungen - neugierig kreisen sie über uns und setzen sich dann 5 m vor uns auf einem Felsen ab.
Wir beiden Vogelfans sind absolut überwältigt von der Schönheit und Eleganz des Königs der Anden in seinem Flug. Udo zählt: 35 Tiere!!!
1,5 Stunden dürfen wir dieses Schauspiel genießen, dann verschwinden sie von einer Sekunde auf die andere in der Tiefe des Colca-Canyons. 2 Flügelschläge, und sie sind nicht mehr zu sehen.
DAS ist wieder so ein Moment, der sich in meinen Kopf und in mein Herz für ewig einbrennt...
Am 2. Mai - meinem Geburtstag - heißt es Abschied nehmen vom schönen Colcatal, der Nachtbus nach Cusco wartet in Arequipa, wir müssen zurück. Ich bin nicht traurig drum, diesen Tag größtenteils im Bus zu verbringen. Die ganze Reise ist ein Riesengeschenk für mich und die letzten Tage waren voller wunderbarer Eindrücke, dass so ein Geburtstag an Bedeutung verliert.
Als wir morgens zum Frühstück gehen, steht eine wunderschöne Rose auf dem Tisch. Ich freue mich sehr, Udo hat am Tag davor darum gebeten mit Hinweis auf meinen Geburtstag.
Er wusste nicht, was er mit diesem Hinweis lostritt. Unsere Küchenfee hat am Abend daraufhin noch eine Extraschicht eingelegt und auf einmal kommt die gesamte Hotelmannschaft zu unserem Tisch und singt mir ein Geburtstagslied, bepackt mit einer Geburtstagstorte und einem traditionellen peruanischen Hut, so wie ihn alle Frauen in dieser Region heute tragen, Handarbeit, versteht sich.
Uns beiden kullern vor Rührung die Tränen vor so viel Herzlichkeit, nach einer gemeinsamen Kuchenrunde und vielen Umarmungen ziehen wir von dannen.
Wir verlassen das Colca-Tal mit einem ganz warmherzigen Gefühl und einem tiefen Respekt vor den hier lebenden Menschen mit ihrem nicht leichten Leben ohne jeden Luxus.
Adios Colca!